Tantrisches Rendezvous
Ein Erfahrungsbericht aus dem Tantra-Paartraining
Martin und Lotte, ein Paar das acht Jahre verheiratet ist, ist zum Tantrischen Paar-Training gekommen.
Wir haben die beiden eingeladen, ihre Erfahrungen aus ihrer unterschiedlichen Sicht zu beschreiben:
Martin: "Einerseits stehe ich erfolgreich im Wirtschaftsleben. Andererseits bietet dieses Dasein leider wenig Freiräume für Gefühle. Entspannen kann ich mich nur nach einem harten Tennismatch. Meine Frau ist unzufrieden mit mir, und - wenn ich ganz ehrlich bin - ich selbst bin es auch oft. Was ich mir von der Tantragruppe erwarte, fragte mich die Gruppenleiterin zu Beginn. Meine spontane Antwort: Mehr Nähe zu mir und meiner Frau Lotte. Ich möchte gern wieder einmal meinen Körper so total spüren - voller Power und Lebenslust. Und ich sehne mich danach, wieder ein Knistern zwischen mir und Lotte zu erleben.
Lotte: "Ich bin Lehrerin aus Leidenschaft. Irgendwann vor ein paar Monaten dachte ich mir: Jetzt reicht´s! Entweder ich suche mir einen Liebhaber oder es muß etwas geschehen in unserer Ehe! Dabei habe ich meinen Mann gerne - aber der ist mit seiner Firma verheiratet. Im Bett ist es routiniert und langweilig. Oft gehe ich absichtlich früher ins Bett, damit ich schon schlafe, wenn er kommt. Ich kritisiere viel an ihm herum. Aber das entfernt uns noch mehr voneinander. Im Grunde meiner Seele bin ich sehr unglücklich darüber. Ich sehne mich so sehr nach Zärtlichkeit, erotischem Spiel. Ich möchte als Frau wieder etwas Besonderes sein."
... Martin und Lotte berichten nun von einem Abend des Paartrainings, der für beide sehr bedeutsam geworden ist:
Martin: "Ich sitze in der Badewanne des Seminarhotels, sehr entspannt und ein wenig traurig. Lotte und ich - wir sind uns heute eher aus dem Weg gegangen. Dann wollte es der Seminarablauf, daß wir uns ein Rendezvous für den Abend vereinbarten! So pflege ich jetzt meinen Körper, wie ich das schon lange nicht mehr gemacht habe. Ich betrachte mich lange im Spiegel und sehe dabei sehr stark meine Mängel - diesen Bauch auf den dünnenen, langen Beinen, die tiefen Linien um den Mund. Ich bemerke aber auch ein besonderes Leuchten in meinen grünen Augen: "Hey Mann, Deine Augen sind stark", sage ich zu mir. Da fällt mir ein, daß ich doch ein grünes Seidenhemd eingepackt habe. Es paßt perfekt.
Zusehends macht es Spaß, mich auf diese Weise schön zu machen und auf die Begegnung vorzubereiten. Normalerweise haste ich in Anzug und Krawatte durch die Welt. Inzwischen stelle ich mir Lotte vor: Wie wird sie aussehen? Was macht sie jetzt? Wird sie mich so haben wollen?
Noch ein bißchen Duft um den Bart, und Zähne putzen. - Kurz melden sich Zweifel an dem ganzen Geschehen. Als ich zum Gruppenraum gehe, stehen schon die anderen Männer davor und begrüßen mich von weitem. Ich merke auch ihnen die Spannung an. Wir warten gemeinsam - wir Männer unter uns. Ich spähe einmal kurz durch den Türspalt in den großen, leeren Raum, der erfüllt ist von Kerzenlicht und Frauen. Frauen, so bewegt und bunt, jede so schön. In mir fängt etwas an zu ziehen und zu drängen. Hilfe! Schnell wende ich mich wieder den anderen Männern zu. In den Männergesprächen fühle ich mich sicher."
Lotte: "Unter allen Frauen herrscht eine freudige Erwartung. Nur mich verfinstern abfällige Gedanken über meinen Mann: Wie wird der wieder daherkommen? Sicher wird er sich lustig machen. Und mir das Fest zerstören! Ich bin so in Zweifel, ob ich mich überhaupt hübsch machen soll für ihn. - Für ihn? Nachdem ich beschlossen habe, mich für mich schön zumachen, geht´s mir besser.
Im Kreis der Frauen fühle ich mich wohl. Trotzdem sind Gedanken da wie: Käm doch ein anderer Mann auf mich zu! Phantasien von irgendeinem tollen Typen... Die Gruppenleiterin lädt uns ein, unsere Gefühle und Empfindungen wahrzunehmen und da sein zu lassen. Auch die negativen. Das erleichtert mich etwas.
Auf ein Zeichen geht die große Tür auf und zehn Männer kommen zögernd, fast verschämt herein. Und dort ganz hinten - Martin! Er wirkt weich und scheu, doch nicht schwach. Ah, dieses grüne Glitzern in seinen Augen. Ich wehre mich dagegen, daß es mich berührt. Nein, dieser knöcherne, steife, phantasielose Mann! Trotzdem freue ich mich, als er näherkommt. Wir schauen uns lange in die Augen. Ein Widerstreit von Gefühlen entbrennt in mir."
Martin: "Lotte ist so anziehend für mich. Warum bemerke ich das sonst nicht? Ich spüre ganz stark ihre erotische Ausstrahlung. Und ich habe Angst vor ihr. Meine Hände sind klatschnaß. Auf der Nase stehen mir die Schweißperlen. Ich weiß, daß sie das abstoßend findet. Es zieht mich hin zu ihr, und es verschlägt mir den Atem vor Unsicherheit. 'Atmen!' sagt jemand in der Ferne. Der hat leicht reden. Ich probier´s trotzdem. Ein tiefer Seufzer entringt sich meiner Brust. Ich bin ganz entsetzt. Doch Lotte lächelt mir herzlich zu. Mein Brustkorb entspannt sich langsam. 'Lotte!' stammle ich."
Lotte: "Diesen Mann - den kenne ich gar nicht... Wir sitzen einander gegenüber, ohne Berührung und doch voller Achtung. "Ich begrüße Dich, Shiva, als einen Teil meiner Selbst!" Es ist dies eine im Tantra gebräuchliche, rituelle Begrüßungformel. - Er begrüßt mich ebenso als Shakti. Wir verbeugen uns voreinander, bis sich unsere Stirnen berühren. Wie elektrisiert zucke ich zurück. Ich bin immer wieder überrascht, daß dies mein Mann Martin ist. Er achtet mich wirklich, jetzt. Das spüre ich deutlich. Die Gruppenleiterin schlägt uns folgende Kommunikation vor:
'Sage der Shakti mindestens 3 Dinge, die dich stören, ärgern oder ängstigen an ihr. Ebenso 3 Punkte, die dir gefallen, die dich freuen oder die du bewunderst an ihr. Dann tauscht die Rollen. Ehrlichkeit ist ein großes Geschenk, das ihr einander machen könnt! Während ein Partner spricht, hört der andere nur zu: Gib keine Antwort und auch keine Rechtfertigungen. Hör einfach zu!'
O Gott, mir wird heiß: So einfach sagen, was mich stört! Darf ich das überhaupt? Na ja, ich übersehe dabei, daß ich ohnehin ständig an ihm herumnörgle. Aber zuerst ist Martin dran. Er schaut mich so warmherzig an.
Doch plötzlich werden seine Augen sehr dunkel: 'Was mich stört an dir ist deine Geltungssucht, deine Härte und Verständnislosigkeit.' Alles in mir empört sich. Das hätte ich ihm vorwerfen können - aber er mir? Nein, er ist derselbe gefühllose Unmensch wie immer. Das war vorhin ein Irrtum. Ich schließe meine Türen und wende mich ab. 'Und', spricht er weiter, 'du bist für mich die schönste Frau hier im Raum. Du bist für mich so anziehend, daß es mir körperlich fast wehtut. Ich sehne mich ganz tief drinnen nach dir.'
Ich fange an hysterisch zu lachen bis es sich in einem langen Schluchzen löst. Ich krieg´s nicht zusammen in meinem Kopf, daß soviel Positives neben soviel Negativem existieren darf. Martin hält mich, streichelt mich ganz vorsichtig und blickt mich sehr offen an. In seinem Blick ist die Sehnsucht nach mir und die Angst vor mir wirklich nebeneinander. Unsere Seelen befühlen sich. Das muß wohl Lebendigkeit sein, dämmert es mir, wenn absolut nichts mehr versteckt werden braucht."
Martin: "In Lottes Blick sehe ich das kleine, schutzbedürftige Mädchen, die harte Macherin, die erotische Katze, die Frau, die mich verhext und unterdrückt, - und so viel Hingabe kommt mir entgegen. Das ist mir neu, es verwirrt und beglückt mich.
Irgendwann trägt uns ein gemeinsamer Atem. Wir liegen nebeneinander, schauen uns weiter an, und unsere Hände sind bereit für zärtliche Expeditionen. Unsere Lippen nähern sich zur Berührung: "Was ich einatme, atmest du aus; was du einatmest, atme ich aus." Lottes Körper bebt. Das Zittern überträgt sich auf meine Hände und meinen Körper. Wir entdecken jeden Millimeter unserer Körper neu. Kurz eine Schrecksekunde! Ein Blitz durchzuckt meinen Kopf: Was ist, wenn jetzt ein Geschäftspartner beim Fenster hereinschaute? Da hätte ich ausgespielt! Lotte atmet tief und zeigt mir durch ihr Seufzen so wunderbar einfach, was sie mag. Irgendwann sagt sie: 'Mehr!' Eine Welle der Freude und des Stolzes geht durch mich. Also mag sie es doch, wie ich sie berühre. Immer wieder sagt sie, was ihr gefällt. Ich bekomme den Mut, ihr ein Gleiches zu tun. Wir kommunizieren leicht und selbstverständlich und verwöhnen einander. Da ist Lust und Respekt voreinander. Da ist die Leidenschaft und die Ziellosigkeit von Kindern. Ist das ein Geschmack von Tantra?"
Lotte: "Martins Körper hat sich für mich verändert. Wenn ich ihn berühre, dann berühre ich ihn wirklich, in seinem Kern. - Und seine Hände tun gut. Ich werde weich wie Teig und bewege mich in seine streichelnden Hände hinein. Als er einmal ganz zärtlich meine Brüste streichelt, spüre ich zum erstenmal seit Jahren wie Liebe aus ihnen fließt: Liebe für Martin.
Ein guter Engel kommt vorbei und bietet uns Früchte an. Wir füttern und necken einander, bekleckern uns und genießen es. Plötzlich packt mich Martin und trägt mich lachend unter die Dusche. Ich lasse mich in seine sonst gar nicht so starken Arme fallen und weiß: Wir können noch unendlich viel Spaß und Liebe miteinander teilen, ohne den Zorn und die Unzufriedenheit ausklammern zu müssen!"