Tantra ist Lebensfreude
Tantrisches Meditationsbild, Übertragungslinie tantrischer Malerei, die ins 17. Jht. reicht. In: Tantra Song, Abstract Painting from Rajasthan, edited and with writings by Franck André Jamme, published by Siglio, 2011. Reproduced here with permission from Siglio Press.
Suchen Sie nach einem ganzheitlichen Entwicklungsweg, der ihren Geist, ihre Gefühle und auch ihren Körper in gleicher Weise mit einbezieht?
Wir bieten in unseren Trainings eine tantrische Praxis, welche die Entfaltung sinnlicher Erfahrungsmöglichkeit, den Fluß der Gefühle und eine bewußte Wahrnehmung in Einklang bringt und zu ursprünglicher Lebensfreude führt.
Tantra in Österreich
Seit den 1980-er Jahren ist im Westen die Tradition des Tantrismus mit neuen Gesichtern erwacht.
1990 hat der Verein Lichtung begonnen, die tantrische Praxis in Österreich anzubieten.
Inzwischen sind unterschiedliche Tantra-Institute hervorgetreten, die mit ebenso unterschiedlichen Ideen
und Grundlagen Tantra in Österreich propagiert haben.
Der sich wandelnde Markt der Anbieter von Tantra in Österreich erschwert die Orientierung insofern, als unter Tantra nicht immer dasselbe verstanden und bei der Weitergabe in den Tantraseminaren anders interpretiert wird.
Was ist das "richtige" Tantra?
Auf die Frage, was das "richtige" Tantra sei, hat schon in den 80-er Jahren eine unserer Lehrerinnen lächelnd geantwortet: "Tantra ist ein großes Haus, unter dessen Dach es viele Räume gibt..."
Jetzt kommt es darauf an, wen Sie sonst noch fragen. Die meisten "Tantra-Schulen" werden behaupten, allein im Besitz des "richtigen" Tantra zu sein. Und subjektiv mag das auch stimmen.
"Ja, gut", könnten Sie nun fragen: "Wenn es nicht allgemein zu definieren ist, was das richtige Tantra ist, wie soll ich dann feststellen, was für MICH, das ´richtige´ Tantra ist?"
Welches Tantra ist für mich geeignet?
Dieser Frage ist leichter auf den Grund zu gehen. Sie wirft die Gegenfrage auf, was Sie von einem Tantraseminar erwarten und was Sie letztendlich damit erreichen wollen, wenn Sie beginnen, Tantra zu praktizieren:
- Bin ich bereit, mich auf mich selbst einzulassen oder suche ich in erster Linie Begegnungen mit den anderen TeilnehmerInnen eines Tantraseminares?
- Bin ich bei all dem, was mir ein solches Seminar bietet auch an Meditation, im Sinne von achtsamer Innenschau, interessiert oder geht es mir mehr um neue, spektakuläre Techniken und besondere Sensationen im Außen?
"Tantra ist Lebensfreude" - die Grundlagen
Grundlage der Seminare: "Tantra ist Lebensfreude", ist eine Haltung, welche jede sinnliche Erfahrung und alle Gefühle, die unser Körper ermöglicht, nicht als Hindernis zu spiritueller Entfaltung, sondern als Instrument zum Erwachen unseres Bewußt-Seins begreift.
Ausgangspunkt sind dabei Übungen und Meditationen auf einer personalen Ebene, d.h. das achtsame, liebevolle Herausschälen der Konturen unseres Ichs und seiner Grenzen. Um dann zu wagen, diese immer wieder einmal in einen transpersonalen Raum hinein zu entspannen, in einen Raum, der unendlich größer ist als unser Ich.
Die Ausrichtung der Seminare ist über die Jahrzehnte gleich geblieben, auch wenn sich Methodik und Didaktik verändert haben: Es gibt die Kontinuität einer tantrischen Praxis, alle Erfahrungen, welche das Leben für uns bereithält, gleichermaßen willkommen zu heißen; nichts zurückzuweisen, sondern Freude und Lust ebenso wie Leid und Verlust als Wegweiser zu unserem innersten Kern zu nutzen.
Dieser Herausforderung zu begegnen, sehen wir als die immerwährende Praxis, deren größter Meister nicht wechselnde LehrerInnen, sondern das Leben selbst ist.
Vermittlung von Tantra als Dienstleistung?
Auch wenn ein Tantraseminar als Dienstleistung angeboten wird, läßt es sich nicht einfach wie eine Wurstsemmel konsumieren.
Die Vermittlung von Tantra geht deswegen weit über eine übliche Dienstleistung hinaus, weil es sich nicht vermeiden lässt, dass TeilnehmerInnen ihren persönlichen Themen begegnen. Und das bedeutet, dass alle beide Beteiligten: TrainerInnen und TeilnehmerInnen zur Arbeit aufgefordert sind...
"Tantra ist Lebensfreude" - oder etwas anderes?
In der Vermittlung von Tantra verhält es sich ähnlich wie in einer Partnerschaft: Sie braucht den Aufbau gegenseitigen Vertrauens - und die "Chemie" zwischen den Beteiligten muß stimmen.
Wenn sie das Glück haben, mit jemandem befreundet zu sein, der bereits ein Tantraseminar - vielleicht sogar beim Verein Lichtung - besucht hat, ist das natürlich die beste Möglichkeit, sich Information "aus erster Hand" zu holen.
Wenn das für Sie nicht möglich ist, dann empfehlen wir ihnen, zu recherchieren, seit wann das angepeilte Institut bereits Tantra in Österreich anbietet.
Zuletzt wird es Ihnen nicht erspart bleiben, einen Versuch zu wagen: Lange kann man uns erklären, wie ein Apfel schmeckt; aber wenn wir es wirklich wissen wollen, müssen wir ihn selber kosten.
Tantra im Lauf der letzten Jahrzehnte
Wer sich in den 80-er Jahren mit Tantra und zeitgemäßer tantrischer Praxis beschäftigte, konnte natürlich an Osho,
dem Meister aus dem indischen Poona nicht vorbeikommen, der ganz wesentlich dazu beitrug,
Tantra im Westen populär zu machen.
Seine Lehre und sein Zugang zu Tantra entsprachen dem Zeitgeist der "sexuellen Revolution",
nämlich den Umgang der Gesellschaft mit Liebe und Sex scharf zu kritisieren
und für eine natürlichere Atmosphäre einzutreten.
Die Grundenergie der Sexualität sei göttlich, lehrte er;
sexuelle Gefühle sollten nicht unterdrückt, sondern dankbar akzeptiert werden.
Nur durch Anerkennung seiner wahren Natur könne der Mensch frei werden.
Die moderne Bioenergetik (wie sie von W. Reich begründet und von A. Lowen weiterentwickelt wurde), die humanistische Psychologie und die westlichen Erkenntnisse der Sexualforschung verbanden sich ausgezeichnet mit jener Lehre Oshos und dem traditionellen Tantra.
Diese durch Osho initiierte und von anderen westlichen Lehrern weiterentwickelte Sinnesart wird "Neo-Tantra" genannt. Viele Techniken und Meditationen dieser Richtung waren damals Inspiration für die Seminare: "Tantra ist Lebensfreude".
Über die Jahre hat der Verein Lichtung seine eigene Praxis entwickelt und eine verstärkte Rückbindung an ursprüngliche Formen des Tantrismus gefunden.
Leider sind heute die Forderungen von Osho - trotz "sexueller Revolution" -
nicht weniger aktuell als zu seinen Lebzeiten.
Dominanzgesellschaften wie die unsrige pflegen traditionell einen repressiven Umgang mit dem Körper
und mit Sexualität.
Die zur Schau gestellte sexuelle Freizügigkeit, die fortschreitende Kommerzialisierung
von Sex und Pornographie stellen dazu nur einen scheinbaren Widerspruch dar,
zeugen in Wirklichkeit von einer anhaltenden Fixierung unserer Gesellschaft auf das Thema Sexualität.
(Fixierung ist immer ein Zeichen, dass etwas nicht im freien Fluß ist.)
Die wirkliche "Befreiung der Sexualität", im Sinne eines natürlichen,
einfachen und selbstverständlichen Umganges ist noch lange nicht in Sicht.
Tantra und Sexualität
Sexualität ist nach dem Überlebenstrieb die stärkste Kraft und die Basis unseres Energiesystems. Daher lehrt uns Tantra, dass sie für eine sinnvolle sprirituelle Praxis nicht unterdrückt, sondern ausgedrückt werden will.
Diese wichtige Erkenntnis hat jedoch auf der anderen Seite zu einem grundsätzlichen Mißverständnis geführt und dem Tantra einen seltsamen Ruf eingebracht: Tantra wäre entweder ein sexuell ausschweifender Kult mit archaischen Wurzeln oder eine neue soziale Bewegung, die nur nach Befriedigung von Trieben aller Art streben würde.
Die Hoffnung vieler Adepten, die nach dem Tantra greifen, lag - und liegt noch immer, - darin, eine Art religöser Rechtfertigung für sexuellen Konsumismus zu finden: Eine Idee, sich mit Hilfe von Sexualität in ein hedonistisches Nirvana zu befördern.
Es läßt außer Acht, dass die tatsächliche Öffnung sexueller Energie auch bloß eine Station auf dem Weg ist. Nicht weil wir im Tantra die Sexualität "hinter uns lassen" oder transformieren müssten - ganz im Gegenteil! - sondern weil wir erleben, dass sie nur ein Teil unserer Lebensenergie und nicht das Ganze ist, wenn wir einem mystischen Entwicklungsweg folgen.
Ohne diese Einsicht werden alle guten Methoden und Meditationen des Neo-Tantra mißbraucht und führen nirgendwohin.
Die weit verbreitete Vorstellung, die den Tantrismus auf irgendwelche sexuellen Techniken reduziert, hat nichts mit der jahrtausende alten tantrischen Praxis zu tun, aber sehr viel mit dem Versuch der Kommerzialisierung des Tantrismus. (Nur drei Beispiele von vielen: In östlichen Nachbarländern wird tatsächlich ein künstlich-süßer "erotic drink" namens "Tantra" vertrieben... oder ein Swingerclub, der auf sich hält, bietet auch "Tantra-Abende" - mit freiem Eintritt für Frauen... oder ein Blick in die Inseratenbörse: Was früher als "blow-job" oder "Handentspannung" angeboten wurde, wird heute nur mehr als "Tantra-Massage" beworben...)
Das gleiche gilt natürlich für die populäre Tantra-Literatur oder den Seminarbetrieb: Auch und gerade, wenn sexuelle Techniken mit dem Hinweis auf ein heiliges, spirituelles Ziel den Praktizierenden versprechen, sie auf eine wundersame Weise zum Erwachen und zur Befreiung vom Ego zu führen, ist eher das Gegenteil der Fall. Eine neue Ablenkung von uns selbst, ein neues Suchtmittel ist gefunden.
Im allerbesten Fall bleiben solche "tantrischen" Techniken wirkungslos, weil sie weder vom bewußten Atmen, der Achtsamkeit für die körperlich-seelischen Vorgänge noch von einer inneren Leere durchdrungen sind.
Der Weg der "absoluten Liebe"
Einem Meister des schivaitischen Tantrismus, der sich in Kaschmir im Himalaya entwickelt hat: Daniel Odier, verdanken wir einen Zugang zum Tantrismus, welchen er einen Weg der "absoluten Liebe" nennt.
Hier im Westen haben wir uns an ein Universum gewöhnt, das auf Gegensätzen beruht: Gott und Teufel, hell und dunkel, gut und böse - das eine wird geliebt, das andere verdammt. Zu dem einen streben wir hin, das andere bekämpfen wir.
Dagegen ist es im kaschmirischen Tantra von grundlegender Relevanz, dass es keine Trennung zwischen Licht und Finsternis, zwischen Göttern und Menschen, auch nicht zwischen gut und böse gibt.
Dieses Tantra ursprünglicher Prägung ist nicht-dualistisch. Das klingt wie eine philosophische Spitzfindigkeit, ist aber in der tantrischen Praxis des Alltags von entscheidender Bedeutung. (Siehe: "Die tantrische Praxis")
Die Suche umkehren
Wesentliche Zweige der Wirtschaft können nur wachsen, wenn es ihr gelingt,
stetig neue Bedürfnisse nach ihren Produkten in uns zu erwecken.
Milliarden von €/$/¥ werden in die tägliche Gehirnwäsche investiert,
dass wir meinen, Glück nur durch etwas zu erlangen, das außerhalb von uns zu finden ist.
Religion im Westen funktioniert nicht wesentlich anders:
Gott wird als etwas außerhalb unserer Selbst dargestellt
und richtet unsere Sehnsucht nach der Begegnung mit dem Göttlichen in das Außen.
Im Tantrismus verläuft die Suche in die umgekehrte Richtung und wendet unsere mystische Energie nach innen. Die höchste Einsicht: "Alles das, was du suchst, bist du selbst", kennzeichnet Ausgang und Ziel der tantrischen Praxis, die uns die alten MeisterInnen gleich zu Beginn anvertrauen.
Die Natur des "reinen Bewußtseins" zu begreifen, konfrontiert jedoch diejenigen, die Tantra praktizieren, mit etwas, das wie ein "Schleier" über der Wirklichkeit zu liegen scheint. Denn diese Wirklichkeit/die Wahrheit/das "Selbst" ist unserem rationalen Verstand nicht zugänglich, verlangt eine Erkenntnis jenseits davon.
Die "Schleier", diese scheinbaren Bewußtseins-Eintrübungen, entstehen durch unser Ego. Und unser Ego entsteht durch eine Form des Bewußtseins, das Unterschiede schafft. Sobald wir als Kleinkind aus dem unbewußten, "ozeanischen" Einheitsgefühl herausfallen und uns als getrenntes Wesen erkennen, beginnt das Spiel unseres Ego: "Das will ich und das will ich NICHT!"
So müssen wir "ein zweites mal vom Baum der Erkenntnis essen, um in den Stand der Unschuld zurückzukehren" (Heinrich v. Kleist) und unseren natürlichen Zustand wieder zu finden.
Diese "Unschuld rührt von einer verrückten Weisheit" (Daniel Odier), die kein Unwissen um die Tragik, vielmehr eine verschärfte Wahrnehmung menschlicher Erfahrung, und untrennbar mit der Lebensfreude verbunden ist.